SAWAL . SCHÜLLER . HANKE | Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung US-amerikanischer Anwartschaften
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Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung US-amerikanischer Rentenanwartschaften

Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung US-amerikanischer Rentenanwartschaften

  1. Einführung

    Der Verfasser hat sich in einem Beitrag i aus dem Jahr 2014 bereits mit dem Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung US-amerikanischer Anwartschaften beschäftigt und in diesem Zusammenhang die rechtlichen Herausforderungen bei der Durchsetzung von in Deutschland ergangenen familiengerichtlichen Auskunfts-Beschlüssen im Rahmen des sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs in den USA diskutiert Im Ergebnis stellte der Verfasser fest, dass die rechtlichen Hürden immens sind und in vielen Fällen faktisch die Unmöglichkeit der Durchsetzung derartiger Auskunftsbeschlüsse droht. Auf diese doch sehr unbefriedigende Situation, die der Verfasser zunächst nur deskriptiv behandelt hatte, wird nachfolgend ein Handlungsangebot unterbreitet. Dabei sollen auch die in diesem Zusammenhang auftretenden Herausforderungen, die von höchster Praxisrelevanz sind – wie sich hoffentlich noch herausstellen wird – thematisiert werden. Eine Darstellung der unterschiedlichen Anwartschaftsmodelle in den USA ist zum besseren Verständnis unverzichtbar.

    2. Die Behandlung von bei ausländischen Versorgungsträgern bestehenden Anwartschaften im deutschen Recht

    Der Versorgungsausgleich als Folgesache der Ehescheidung bleibt trotz einer Vielzahl an Publikationen insbesondere zum dem 2009 in Kraft getretenen Versorgungsausgleichgesetz (VersAuslgG) ein Randgebiet für Rechtsanwält/e/innen. Dies betrifft im Besonderen die Fälle, in denen einer der Ehegatten Anwartschaften im Ausland erworben hat. Der erfahrene Praktiker wird in diesen Konstellationen sofort an die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG denken, die einzige Vorschrift im VersAusglG die sich ausdrücklich mit bei ausländischen Versorgungsträgern bestehenden Anwartschaften auseinandersetzt. Danach sind derartige Anwartschaften nicht ausgleichsreif und unterliegen nicht im Verbund mit der Ehescheidung stattfindenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich (§ 19 Abs. 1 VersAusglG). Die von einem (oder beiden) Ehegatten gehaltenen Anwartschaften bei ausländischen Versorgungsträgern werden also durch das Familiengericht bei Ehescheidung nicht geteilt. Warum dies der Fall ist, formuliert der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 zutreffend, „ausländische Versorgungsanrechte unterliegen nicht der Jurisdiktionsgewalt deutscher Gerichte“.

    3. Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich vs. Aufteilung in den USA

    Wie also mit solchen Anwartschaften umgehen. Eine Vorgehensweise ist es, dem Hinweis des § 19 Abs. 4 VersAusglG zu folgen, und solche Anrechte im Rahmen des sog. schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs „auszugleichen“. § 19 Abs. 4 VersAusglG verleitet zu der missverständlichen Annahme, dass im Rahmen des sog. schuldrechtlichen Ausgleichs deutsche Gerichte Jurisdiktionsgewalt über Anrechte bei ausländischen Versorgungsträgern hätten, und nur ein „zeitlich verzögerter“ öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich stattfindet. Das dem nicht so ist, wird bei näherem Betrachten des in  § 20 VerAusglG beschriebenen Ausgleichsmechanismus deutlich. Dort ist von einer „schuldrechtlichen Ausgleichsrente“ die Rede. Diese ist in § 20 Abs. 1 VersAuslG (eher unscharf) legal definiert, und zwar als den um Sozialversicherungsbeträge bereinigten Ausgleichswert aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, welche die ausgleichsverpflichtete Person (tatsächlich) bezieht.  Der „Ausgleichswert“ wiederum ist in § 1 Abs. 1 VersAusglG als hälftiger Anteil eines in der Ehe erworbenen Anteils definiert. Der schuldrechtliche Ausgleichswert berechnet sich also grundsätzlich nach den Grundsätzen die auch für die öffentliche-rechtlichen Versorgungsausgleich gelten. Den großen Unterschied macht die Einordnung als „schuldrechtlicher“ Anspruch. Es ist ein Anspruch der rein den Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten regelt, welche konsequenter Weise auch die Einzigen sind, die durch das Familiengericht an diesem Verfahren gemäß § 219 Nr. 1 FamFG zu beteiligen sind. Anders als im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich werden die Versorgungsträger selbst nicht beteiligt. Das Familiengericht kann also anders als im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich die Versorgungsträger grundsätzlich nicht in die Pflicht nehmen. Eine Ausnahme besteht nur bei Teilhabeansprüchen an der Hinterbliebenenversorgung gemäß § 25 VersAusglG, allerdings wird auch hier die Zuständigkeit der deutschen Familiengerichte nicht auf ausländische Versorgungsträger erstreckt, da über § 2 VersAusglG (ggf. i.V.m. § 15 VersAusglG) nur inländische Versorgungsträger erfasst sind.

    Es bleibt festzuhalten, dass in keiner Konstellation ausländische Versorgungsträger am schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu beteiligen sind. Das Verfahren richtet sich gegen den (ehemaligen) Ehegatten. Einen Zugriff auf den ausländischen Versorgungsträger erlangt man konsequenter Weise auch bei Vollstreckung eines Auskunftsbeschlusses des deutschen Familiengerichts in den USA nicht, da sich der Auskunftstitel nicht gegen diesen richten kann.

    Daher wird es in den meisten Fällen, notwendig sein, einen Ausgleich des betroffenen US-amerikanischen Anrechts direkt in den USA zu suchen. Da eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Bundesstaaten den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, muss die Darstellung auf einige grundsätzlichen Aussagen zur Teilung von Rentenanwartschaften in den USA und auf die Darstellung der relevantesten Anwartschaftsmodelle beschränkt werden.

    Grundsätzlich muss auch in den USA die Teilung der Rente durch das Gericht beschlossen werden.

    Nach welchem Prinzip bzw. Rechenweg sich die Höhe der „Ausgleichsrente“ des Ausgleichsberechtigten ermittelt variiert, bzw. wie eine solche Übertragung von Anwartschaften tituliert sein muss, hängt maßgeblich von dem zu teilenden Anrecht ab.

    4. Überblick: Anwartschaftmodelle in den USA

    Es folgt nun eine kurze Darstellung der unterschiedlichen Anwartschaftsmodelle bzw. Systeme. Zunächst ist zwischen Anwartschaften aus Tätigkeit im öffentlichen Dienst und der Tätigkeit der Privatwirtschaft zu unterscheiden.

    Die Teilung von privaten Rentenanwartschaften erfolgt grundsätzlich auf Grundlage des Employee Retirement Income Security Act (ERISA), eines Bundesgesetzes. ERISA hat dabei für Aufteilungsbeschlüsse den Begriff der „Qualified Domestic Relations Order (im Sprachgebrauch „Qua-Dro“, für die Abkürzung „QDRO“) geprägt. Es handelt sich um einen familiengerichtlichen Aufteilungsbeschlusses der in der Praxis häufig von einem Rentenberater vorbereitet wird.

    Im öffentlichen Dienst wird zwischen zwei Anwartschaftsystemen unterschieden, Anwartschaften im Civil Service Retirement System (CSRS), überwiegend für Beschäftigungsverhältnisse die vor dem Jahr 1984 eingegangen wurdenund dem Federal Employees Retirement System (FERS), welches auf Beschäftigungsverhältnisse die seit 1984 geschlossen wurden Anwendung findet. Verwaltet werden diese Anwartschaften durch das United States Office of Personell Management (OPM).

    Daneben hat in den USA die „Militärrente“ eine großen Bedeutung. Die Teilung von Rentenanwartschaften aus dem Dienst im Militär wird durch den Uniformed Services Former Spouses’ Protection Act (USFSPA)) geregelt.

    5. Die Teilungsmechanismen

    Die Art und Weise der Teilung wird im Wesentlichen durch den Versorgungsträger bestimmt. Der Gerichtsbeschluss muss daher die Terminologie des jeweiligen Versorgungsträgers benutzen. Verallgemeinerungen verbieten sich bei der Erstellung eines solchen Aufteilungsbeschlusses (der idR durch die Anwälte erstellt wird).

    Bis vor kurzen gab es ein durch die DFAS (Defense Finance and Accounting Services) bereitgestelltes online – frei zugängliches – PDF welches die Anforderungen an einen familiengerichtlichen Aufteilungsbeschluss über Militäranwartschaften im Detail darstellte. Mittlerweile ist diese Darstellung aus dem Netz genommen. Dies ist bedauerlich, denn dem Verfasser sind zahlreiche Verfahren bekannt, in denen die Erstellung eines solchen Aufteilungsbeschlusses – Beschlüsse werden in diesem Rahmen in den USA von den Anwälten entworfen und vom Gericht nur „bestätigt“ – ob der hohen Anforderung an Darstellung und Sprache selbst Anwälten große Schwierigkeiten bereitet hat. Es ist zu hoffen, dass die DFAS eine solche Handlungsanleitung zeitnah erneut bereitstellen wird. Die Teilung von Anwartschaften des öffentlichen Dienstes verwaltet durch OPM (United StatesOffice of Personel Management) gibt aus nach wie vor eine frei zugängliche Aufteilungsempfehlung.

    Voraussetzung für eine Teilung, sei es im Rahmen eines QDRO oder eines sonstigen familiengerichtlichen Verteilungsbeschlusses erfordert in jedem Fall die Anerkennung (Domestication) des deutschen Scheidungsbeschlusses. Ein solches Verfahren, ähnlich dem Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG, wird im Falle des QDRO, inzident geführt. Da der deutsche Scheidungsbeschluss mangels Zuständigkeit deutscher Gerichte über die US-Anwartschaften keine Aussage zur Verteilung dieser Rentenanwartschaften trifft, muss ein zusätzlicher Gerichtsbeschluss über die Verteilung der Rente beigebracht werden. Diese Gerichtsbeschlüsse verpflichten die Versorgungsträger allerdings in einigen Fällen nicht direkt, sondern sind Voraussetzung für einen entsprechenden Antrag beim Versorgungsträger durch den Ausgleichsberechtigten. Es handelt sich mithin um ein vielschichtiges Verfahren, anders als im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach deutschem Recht, werden die Beteiligten durch das Gericht nicht „an die Hand genommen“ und durch das Verfahren „geführt“, es obliegt im Wesentlichen den Beteiligten, sich um die Berechnung und Durchsetzung ihres Anspruches selbst zu kümmern.

    Im besten Fall, unterliegt der Versorgungsplan den Bestimmungen die eine Aufteilung mithilfe des QDRO möglich machen, in einigen Versorgungsplänen, können die Beteiligten einfach durch das Ausfüllen von durch den Versorgungsträgern bereit gestellten Vordrucken, ihren Anspruch anmelden und bereits einen QDRO vorbereiten, in einigen privaten Vorsorgeplänen ist ein QDRO nicht notwendig, die Versorgungsträger können die Ansprüche des ausgleichsberechtigten Ehegatten selbst berechnen.

    Dabei ist auf die verschiedenen Bestandteile einer Rente zu achten. Gerade bei DFAS Anwartschaften, also Militäranwartschaften, ist der Mandant darauf hinzuweisen, dass der Auszahlungsbetrag laut Einkommensbeleg möglicherweise nur Aussagekraft über die Höhe des Ausgleichsbetrages hat, was daran liegt, dass sich das Gehalt oft aus verschiedenen Positionen zusammensetzt, die teilweise einer Teilung nicht unterliegen. Dies gilt zum Beispiel für die Ausgleichszahlungen aufgrund erlittener Verletzungen im Dienst.

    6. Auswirkungen von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich

    Was aber, wenn die Beteiligten sich bei der Ehescheidung über die Aufteilung der Anwartschaften im Wege des schuldrechtlichen Ausgleichs geeinigt haben.

    Eine Standardformulierung in deutschen Ehescheidungsbeschlüssen ist der (deklaratorische) Hinweis, „die übrigen Anrechte bleiben einem Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten“, oder „Mit Blick auf die ausländischen Anwartschaften der Beteiligten findet ein öffentlicher-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht statt. Der Wertausgleich nach der Scheidung bleibt vorbehalten“. Diese Formulierung, welche sich auf § 224 Abs. 4 FamFG stützt, hat keine konstitutive Wirkung, es schadet also nicht, wenn das Gericht zu der Aufteilung der ausländischen Anwartschaften gar nicht äußert, da dadurch ohnehin nur die Rechtslage wiedergegeben wird. Sie ist aber zur Beurteilung der Billigkeit in Fällen in denen ein Wertausgleich bei Scheidung insgesamt trotz inländischer Anwartschaften gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG unterbleibt, wichtig, wenn sich daraus das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Anwartschaften ermitteln lässt (die Wertigkeit ausländischer Anwartschaften ist mangels eines eigenen Auskunftsanspruches des Familiengerichts von der Auskunftsfreudigkeit der Beteiligten abhängig).

    Wenn aber die Beteiligten eine Erklärung abgeben, dass die „ungeteilten Anwartschaften dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben“ stellt sich die wichtige Frage, ob der unter Ziff. 3 dieses Beitrages gewählte Weg, nämlich die Anrufung eines Gericht in den USA, noch möglich ist.

    Worin besteht die Gefahr einer solchen Erklärung? Die Gefahr besteht darin, dass ein US-Gericht – missverständlich – davon ausgeht, dass die Beteiligten eine Zuständigkeitsvereinbarung (und ggf. Rechtswahl) getroffen haben, nach der der Ausgleich aller übrigen Anrechte, also auch der ungeteilten US-Anwartschaften – nur in Deutschland stattfinden soll. In einer Vielzahl der Bundesstaaten der USA – um den Versuch einer pauschalen (und damit immer verkürzenden) Aussage zu treffen – werden mittlerweile derartige Vereinbarungen anerkannt bzw. von den Gerichten berücksichtigt. Dies birgt mithin das Risiko, dass das angerufene US-Gericht mit Blick auf eine derartige Vereinbarung seine Zuständigkeit verneint. Dann wäre dem Ausgleichsberechtigten Ehegatten die Möglichkeit genommen, die Teilung der Anwartschaft in den USA durchzuführen, er wäre auf die Teilung im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs angewiesen. Mit Blick auf die praktischen Hürden bei Durchsetzung dieses Anspruchs, drohen die Nichtdurchsetzbarkeit und damit der vollständige Verlust des Ausgleichsanspruchs. Die Behandlung einer derartigen Vereinbarung als Zuständigkeitsvereinbarung hätte unter Umständen verheerende Folgen, je nach Konstellation, die Altersarmut.

    Die Bindungswirkung einer solchen Vereinbarung bezogen auf ungeteilte US-Anwartschaften ist aus Sicht des Verfasser eindeutig. Eine gesetzliche Grundlage für eine Gerichtsstandsvereinbarung und/oder Rechtswahl hinsichtlich der Aufteilung ausländischer Anwartschaften gibt es nicht. Eine Rechtswahl gemäß Art. 5 der Rom III VO erfasst ausdrücklich nur das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht. Auch als Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 7 der sog. Rom IV VO, der Güterrechts-Verordnung ist eine solche Vereinbarung nicht anzusehen.

    7. Fazit

    Wie immer ist in derartigen Konstellationen mit Vorsicht und Beachtung des maßgeblichen Rechts zu agieren. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

    Dr. Hanke, Rechtsanwalt





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